Buchstabe R – KOTTITAUBE – Tauben als Ausdruck
Wer das #FreiheitBerlin am Teufelsberg betrachtet, wird von dem mächtigen ‚R‘ in den Bann gezogen. Dieses Werk stammt von Till Jürgens, besser bekannt als KOTTITAUBE, einem Berliner Graffiti-Künstler und Kommunikationsdesigner. Sein Name verweist auf seine Wurzeln am Kottbusser Tor in Kreuzberg, wo er in den 80er Jahren aufwuchs – geprägt vom bunten Leben und der rebellischen Graffitikultur Berlins.
Die Sprache der Tauben
KOTTITAUBE nutzt das ‚R‘, um eine kraftvolle und vielschichtige Geschichte zu erzählen. Auf der einen Seite ist eine Taube von rotem Stacheldraht gefesselt – ein eindringliches Symbol für Einschränkung und Unterdrückung. Auf der anderen Seite löst sich der Stacheldraht, und die Taube fliegt in die Freiheit. Diese Gegensätze visualisieren die Spannung zwischen Kontrolle und Befreiung – eine universelle Thematik, die in vielen Kontexten weltweit relevant ist.
Die Taube selbst ist keine klassische weiße Friedenstaube, sondern eine graue Stadttaube – ein bewusst gewähltes Symbol für das urbane Leben. Sie steht für Anpassungsfähigkeit und Überlebenswillen, geprägt von der rauen Realität in Großstädten wie Berlin, wo KOTTITAUBE selbst aufwuchs.
Auf dem ‚R‘ finden sich die Worte „R wie fRRee Palestine! R wie Rafah! Lasst euch nicht den Schnabel verbieten!“ Diese Botschaften verweisen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und die Stadt Rafah im Gazastreifen, die symbolisch für Blockaden und militärische Auseinandersetzungen steht. Der rote Stacheldraht greift diese Thematik auf und wird zum Sinnbild der Einschränkungen und des gleichzeitigen Wunsches nach Freiheit.
Ein weiteres faszinierendes Detail ist die rote Figur, die auf der Taube reitet und eine weiße Fahne mit einer Wassermelone trägt. Die Wassermelone, deren Farben – Rot, Grün, Weiß und Schwarz – an die palästinensische Flagge erinnern, hat sich als Symbol des Widerstands etabliert. Sie wird oft als subtile Alternative genutzt, um kulturelle Identität und Zusammenhalt trotz Einschränkungen sichtbar zu machen.
Auch die wiederholte Betonung des Buchstabens ‚R‘ ist vielschichtig: „R wie fRRee Palestine!“ und „R wie Rafah!“ spielen nicht nur auf den Buchstaben an, sondern auch auf das Gurren der Taube – ein raues „Grrr“, das für Beharrlichkeit und Widerstandsfähigkeit steht.
Die Details des Kunstwerks sind beeindruckend: die Taube mit entschlossenem Blick, der rote Stacheldraht, der sich wie eine stumme Mahnung durch das Bild zieht, und die surrealen, kristallinen Formen am unteren Rand des Buchstabens. All diese Elemente verdeutlichen die Hindernisse, die überwunden werden müssen, um Freiheit und Frieden zu erreichen.
KOTTITAUBEs Wurzeln
KOTTITAUBE beschreibt sich selbst als einen Künstler, dessen Leben schon früh von Buchstaben geprägt war. Seine Liebe zu Typografie begann in seiner Jugend, als er gemeinsam mit anderen Graffiti-Künstler:innen internationale Anerkennung erlangte. Später vertiefte er seine Leidenschaft durch ein Studium im Kommunikationsdesign, das ihm neue Medien wie 3D-Modellierung, Videoanimation und Virtual Reality eröffnete.
Seine künstlerische Vielseitigkeit ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Leidenschaft für Buchstaben, Farben und Gestaltung. Vom Graffiti in den Straßen Kreuzbergs bis hin zu hochmodernen digitalen Projekten hat er es geschafft, Tradition und Innovation in seiner Kunst zu vereinen.
Eine Taube ohne Gesicht
Im zweiten Stock des Turms am Teufelsberg hat KOTTITAUBE ein weiteres eindrucksvolles Werk geschaffen: eine monumentale Stadttaube mit ausladender Flügelspannweite. Auffällig ist, dass das Gesicht der Taube verborgen bleibt – verdeckt durch eine rote Linie, die wie eine Barriere oder eine Trennlinie wirkt. Dieses Detail lässt Raum für Interpretationen: Es könnte auf die Unsichtbarkeit und das Schweigen hinweisen, mit dem nicht nur Stadttauben, sondern auch Menschen in urbanen oder konfliktreichen Umfeldern oft konfrontiert sind. Es erinnert daran, wie leicht Individuen übersehen oder an den Rand gedrängt werden.
Die kristallinen Strukturen um die Taube, die an zerbrochenes Glas oder Eis erinnern, verstärken den Kontrast zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit. Sie scheinen einerseits Hindernisse darzustellen, andererseits aber auch Schönheit inmitten von Gefahr. Dieses Spannungsfeld macht das Werk zu einer visuellen Metapher für die Herausforderungen des Lebens in urbanen Räumen oder konfliktbeladenen Kontexten.
Das Mural spiegelt KOTTITAUBEs charakteristischen Stil wider: die Auseinandersetzung mit Gegensätzen wie Stärke und Zerbrechlichkeit, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Die Taube, ein Symbol für Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft, bleibt dennoch ein Mysterium. Sie fordert die Betrachtenden auf, genauer hinzusehen und ihre eigene Interpretation der vielschichtigen Botschaft zu finden.
Mit seinen Werken am Teufelsberg zeigt KOTTITAUBE nicht nur sein künstlerisches Können, sondern auch seine Fähigkeit, komplexe Botschaften durch subtile Symbole und kraftvolle Bilder zu vermitteln. Seine Tauben stehen für Widerstand, Anpassung und den unaufhörlichen Wunsch nach Freiheit – in Berlin und überall auf der Welt.